„Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu“ – Ethikinterview mit Frau Werner

Frau Werner, würden Sie sich einer bestimmten Religion zuordnen?

Ja, ich bin von Geburt an katholisch. Allerdings praktiziere ich meine ursprüngliche Religion nicht mehr aktiv. Und ich habe seit meiner Studentenzeit verschiedene Erfahrungen mit anderen Glaubensrichtungen gesammelt.

Warum unterrichten Sie Ethik?

Ich habe Spaß daran, mich mit Fragen über das richtige Verhalten, das Miteinander, Toleranz etc. zu beschäftigen und finde das sehr spannend.

Was ist Ihrer Meinung nach dem Sinn des Lebens?

Schwierige Frage. Es ist in gewisser Weise Zufriedenheit zu erleben: mit sich selbst, der Welt und anderen Menschen.

Wie definieren Sie Menschlichkeit?

Menschlichkeit ist ein Sich-Hineindenken in andere, von sich selbst ausgehend und dementsprechend auch zu handeln. Wie Immanuel Kant das formulierte: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Ich möchte das, was ich als Mensch will bzw. nicht will, auch anderen zukommen lassen bzw. einfordern. Diese Empathie ist auch das, was uns von den Tieren unterscheidet.

Haben Sie sich als Kind auch schon für Ethik interessiert?

Ja, das habe ich, vor allem nachdem ich im Lauf meiner Schulzeit schlechte Erfahrungen im Religionsunterricht gemacht habe. Nach einem Umzug in eine andere Gegend hatte ich nämlich Religionsunterricht bei einem Pater, der im Sinne der hohen Verhaltensstandards für Geistliche nicht gut war, da er auch uns Schüler nicht nett behandelte.

Welche Religionen finden Sie allgemein interessant?

Persönlich interessant, ohne dabei die Regeln genau zu kennen, finde ich die Quakers Society of Friends in England. Ich habe dort in England Programme besucht und daran mitgearbeitet, und das gemeinsame Treffen, Schweigen und den Austausch, und alles in einer freundlichen Atmosphäre, war eine sehr schöne Erfahrung.

Glauben Sie, dass der Gott der Juden, der Christen und der Muslime derselbe ist?

Ich glaube, dass die verschiedenen Völker ähnliche Gedanken und Vorstellungen haben und die Religionen im Prinzip eine fast gleiche Instanz sind bzw. für Menschen eine ähnliche Funktion haben, weil sie helfen, Orientierung zu finden.

Was, meinen Sie, kommt nach dem Tod?

Persönlich glaube ich nicht viel; eine Orientierung bzw. die Hoffnung auf ein besseres Leben danach ist für mich keine Option, was aber nicht heißt, dass es für andere nicht weitergehen kann.

Glauben Sie an Zufälle oder an ein Schicksal?

Glauben ist da ein sehr großes Wort! Naja, ich glaube an schicksalhafte Begegnungen und Zufälle, das habe ich auch selbst erlebt, aber ich würde daraus keine Religion machen, denn ich glaube nicht, dass dahinter irgendeine besondere Fügung oder ein Plan steckt.

Welche Person aus unserer Geschichte würden Sie gerne treffen, hätten Sie die Möglichkeit?

Oh… Ich hätte mich gerne mit William Shakespeare getroffen. Manche zweifeln zwar daran, dass er wirklich gelebt hat, aber ich halte ihn für ein echtes Phänomen. Seine Texte enthalten so viele tolle Gedanken – die ganze Welt. Ein schöner Gedanke von ihm ist: „All the world’s a stage,/ And all the men and women merely players…”

Von Elisabeth Littl, Eva Rohse und Veronika Weiß (9a)