„Das, was die Kirche ausmacht, findet in den Gemeinden statt“ – Religionsinterview mit Frau Hingsammer

Frau Hingsammer, sind Sie eine überzeugte Christin?

Selbstverständlich!

Und eine überzeugte Katholikin?

Ich würde mich schon so nennen, hadere aber wie viele andere mit der momentanen Situation in der Kirche. Ich sehe manches kritisch und bin traurig, aber natürlich stehe ich hinter dem, was ich sage, auch etwa bei der christlichen Erziehung und dem, was das Leben ausmacht.

Wie stehen Sie zu Jesus?

Er ist für die Gläubigen der Sohn Gottes, der Erlösung bringt. Der Glauben verändert sich zwar und entwickelt sich weiter, aber er basiert immer auf der Hoffnung, dass das, was Jesus getan hat, stimmt, also dass Er der Erlöser, Retter und Heiland ist. Jesu Tod und Auferstehung sind die Mitte des Glaubens, und geben eine Hoffnung, die auch ich in mir trage. Natürlich ist das Glaubensleben immer mit Höhen und Tiefen verbunden, aber es ist trotzdem immer verbunden mit der Hoffnung auf die Erfüllung dessen, was Jesus sagt. Auch wenn zurzeit viele Menschen aus der Kirche austreten, gibt es hier viel Engagement, und was die Kirche ausmacht, sind nicht die Kirchenoberhäupter, sondern die Gemeinden. Das bedeutet nicht, dass mich die Probleme in der Kirche nicht beschäftigen. Da ich die Kirche auch vertrete, muss ich eine Position finden, damit umzugehen. Die Kirche entspricht oft meinen moralischen Vorstellungen nicht, aber im Grunde genommen ist die Kirche etwas anderes, sie läuft nämlich in den Gemeinden ab, zum Beispiel bei der Geselligkeit mit den Senioren und in der Jugendarbeit. Der Zusammenhalt in der Gemeinde ist wichtig, es wäre sehr traurig, wenn es das nicht mehr gäbe. Deshalb habe ich die Hoffnung, dass der Kern von Jesu Idee in der Welt bleibt. Ich bewundere Menschen, die sich in der Gemeinde einbringen und sich viel Zeit dafür nehmen. Das sollte man im Religionsunterricht öfter thematisieren.

Warum unterrichten Sie katholische Religionslehre?
Ich bin in meiner Kindheit und Jugend in einer katholischen Gemeinde aufgewachsen, woraus sich der Wunsch entwickelte, dieses Fach auch zu studieren. Aber eine Phase lang stand ich dem Glauben sehr kritisch gegenüber, dennoch wollte ich Theologie studieren, was ich bis heute nicht bereut habe. Manche Inhalte sind zwar schwierig, aber man muss einen Weg finden, damit umzugehen. Im Unterricht kann ich auch tolle Inhalte vermitteln, über Gott und die Welt nachdenken und das an die Jugendlichen weitergeben in der Hoffnung, den Kindern Wertvorstellungen mitzugeben, wie die, dass die Welt nicht nur materiell, sondern auch an Sinnlichem, an Menschlichkeit orientiert ist. So bekommt man es ja auch in der Bibel gelehrt, zum Beispiel mit dem Gedanken der Barmherzigkeit, der zeigt, dass auch andere Dinge als der Konsum wichtig sind. Glauben kann einem ein Grundvertrauen im Leben geben, dass man sich aufgehoben fühlen kann in Gott und so Festigkeit im Leben erlangt, und das möchte ich den Kindern vermitteln.

Was ist Ihrer Meinung nach der Sinn des Lebens?
Der christliche Sinn des Lebens ist, dass man auf der Erde etwas durch sein Tun hinterlässt, etwa eine Spur in den Menschen, mit denen man zu tun hatte. Und ich finde es wichtig, in seiner Aufgabe Erfüllung zu finden. Mit meiner Aufgabe als Lehrerin bin ich sehr zufrieden, da sie etwas mit den Menschen zu tun hat, in der Beziehung und der Kommunikation zu den Kindern, um sie für die Gesellschaft zu wertvollen Menschen zu formen, damit diese einen Anteil daran leisten, dass die Welt besser wird. Nur die Korrekturen mag ich an meiner Tätigkeit nicht sonderlich.

Wie stehen Sie zur Bibel?
Vieles, was in der Bibel steht, kann ich unterschreiben, vor allem die Weltanschauung des Neues Testaments. Die Bibel ist ein für uns Christen sehr wichtiges Buch und prägt den Religionsunterricht sehr, weshalb sie auch dort einen großen Stellenwert besitzt. Es ist dabei wichtig zu beachten, dass sie kein Geschichtsbuch, sondern ein Glaubensbuch ist; sie steckt voller Lebensweisheit.

Haben Sie sich als Kind auch schon für Religion interessiert?

Ja, schon, ich bin nämlich von meiner Mutter sehr religiös erzogen worden, sie wollte mit mir auch oft in die Kirche gehen. Deshalb habe ich mich in meiner Jugend in verschiedenen Gruppen, zum Beispiel im Chor, engagiert. Religion und Glaube sind seit meiner Kindheit sehr wichtig für mich.

Welche Religion finden Sie neben dem Christentum interessant?

Also, ehrlich gesagt den Buddhismus, weil diese Religion eine große Toleranz anderen gegenüber lehrt. Sie ist auch ganz anders als unsere Religion. Den Pazifismus finde ich dabei sehr bemerkenswert.

Glauben Sie, dass der Gott der Juden, der Christen und der Muslime derselbe ist?

Ja, ich glaube nicht, dass es da Unterschiede gibt. Jede Religion versteht Ihn zwar anders, aber letzten Endes ist es der gleiche Gott. Die drei Weltreligionen sind sehr eng miteinander verknüpft und im gleichen kulturellen Raum entstanden, deshalb muss man zwischen diesen Gottheiten nicht trennen.

Mit welcher Person aus unserer religiösen Geschichte würden Sie sich gerne unterhalten, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?

Ich würde mich schon gerne mit dem Dalai-Lama unterhalten.

Veronika Weiß (9a)